Warum Hyperpop der Soundtrack einer ganzen Generation ist

Geschrieben am 23. April 2025 von Monroe Rei Vogel
Credit: G

In einer Welt, die von Algorithmen, digitalen Identitäten und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt ist, hat sich eine Musikrichtung etabliert, die mehr als nur Töne transportiert: Hyperpop. Mit seiner hyperrealen Klangästhetik, seiner anarchischen Energie und seiner tiefen Verwurzelung in der Online-Kultur spiegelt dieser Sound nicht nur den Zeitgeist wider – er definiert ihn.

Hyperpop ist kein Zufallsprodukt, sondern eine logische Konsequenz des digitalen Zeitalters. Die Generation, die mit Smartphones in der Hand aufwuchs, findet in diesem Genre eine klangliche Entsprechung ihrer Lebensrealität: schnelle, fragmentierte Beats, verzerrte Vocals und eine Ästhetik, die zwischen Nostalgie und Futurismus oszilliert.
Die Produktionstechniken – übersteuerte Höhen, tempoerhöhte Samples, glitchige Effekte – spiegeln die Überstimulation einer Generation wider, die in einer Welt aus Push-Nachrichten, TikTok-Clips und endlosen Informationsströmen lebt. Künstler wie 100 gecs oder Charli XCX nutzen Tools wie Autotune nicht zur Perfektionierung, sondern zur bewussten Verfremdung, was die Ambivalenz zwischen menschlicher Emotion und digitaler Künstlichkeit unterstreicht.

Queer Culture als kreativer Nährboden

Hyperpop ist untrennbar mit der LGBTQ+-Community verbunden. Viele Schlüsselfiguren des Genres – wie Laura Les und Dorian Electra – identifizieren sich als queer oder nicht-binär und nutzen die Musik, um Geschlechterrollen zu dekonstruieren. Die Texte und Performances spielen mit Ironie, Satire und einer bewussten Überhöhung gesellschaftlicher Normen, ähnlich wie Drag-Kunst. Tracks wie SOPHIES Immaterial thematisieren die Loslösung von physischen Identitäten, während Künstler wie Arca oder Kim Petras queere Freiräume schaffen, die im Mainstream-Pop oft fehlen. Diese Musik wird zur Manifestation eines kollektiven Empowerments – laut, chaotisch und unangepasst.

Social Media als Beschleuniger

Die virale Natur von Hyperpop ist kein Zufall. Tracks sind oft auf Kurzformate wie TikTok oder Instagram Reels zugeschnitten: knackige Hooklines, explosive Drops und eine Ästhetik, die in 15 Sekunden Aufmerksamkeit erzwingt. Plattformen wie SoundCloud und Spotify haben das Genre durch algorithmische Playlists populär gemacht.

Rebellion gegen den Mainstream

Hyperpop ist die Antithese zur glattpolierten Popmaschine. Wo traditionelle Popmusik auf eingängige Strukturen setzt, bricht dieses Genre Regeln: Songs wechseln abrupt zwischen Genres, integrieren Noise-Elemente oder parodieren kommerzielle Klischees. Diese Haltung erinnert an den Punk der 1970er – eine bewusste Provokation des Establishments. Tracks wie Money Machine von 100 gecs oder Charli XCX’s Brat-Album feiern das Hässliche, das Unperfekte und das Absurde, während sie gleichzeitig die Absurditäten der modernen Welt kommentieren. Es ist eine Musik, die nicht gefallen will, sondern zum Nachdenken – oder zumindest zum Kopfschütteln – anregt.

Auch interessant: Festival-Hopping weltweit – Von Musik bis Kunst