Club Culturel: Popkultur im Fokus - séduction Magazin Germany
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KULTUR

Club Culturel: Popkultur im Fokus

Von Redaktion 02/06/2025
Credit: Xenia Curdova
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Die aktuelle Kulturlandschaft entfaltet sich in beeindruckender Vielfalt: Von ikonischer Fotografie über sinnliche Skulpturen bis hin zu literarischen Entdeckungen bietet diese Saison ein fesselndes Panorama künstlerischer Ausdrucksformen. Das sind die Highlights in Sachen Popkultur.

IM ZAUBER DES MOMENTS

Eine Ausstellung über die Magie des Mediums Polaroid

In vordigitalen Zeiten waren Polaroidbilder von einzigartiger Magie umgeben. Nicht nur, weil sie die einzigen Fotos waren, die man unmittelbar nach der Aufnahme schon betrachten konnte. Nein, das Bild tauchte auch langsam wie aus einem diffusen Nebel auf oder blieb, je nach System, für eine spannungsvolle Minute unter einem Deckpapier verborgen, das dann abgepellt werden musste, um das fertige Foto zu erblicken. Dazu waren Sofortbilder praktisch immer Unikate, was die Kostbarkeit und Einmaligkeit des gerade erlebten Moments bezeugte. Künstler nutzen sie deshalb auch für eine Art Performance vor der Kamera, für Fotografen waren sie dagegen das ideale Werkzeug für Ideenskizzen und dienten zugleich der Überprüfung der Lichtsituation und Bildkomposition. Bis zum 27. Juli sind in der Helmut Newton Foundation in Berlin nun Zeugnisse dieser Ära zu sehen – von Newton selbst, aber auch von weiteren Kamerakünstlerinnen und -künstlern wie Sheila Metzner, Jeanloup Sieff oder William Wegman.

SANFTER REBELL

Mit Skulpturen, die zwischen Präsenz und Auflösung schweben, galt der Bildhauer Medardo Rosso um 1900 als ein Konkurrent Rodins auf dem Weg zu neuen Formen der Plastik. Heute nahezu vergessen, war und ist er Inspiration für viele Künstler. Das Kunstmuseum Basel präsentiert vom 29.3. bis 10.8. seine Werke und Arbeiten jener, die ihm folgten.

AMERIKANISCHE UTOPIE

Weltweit bekannt wurde Amy Sherald als Malerin des offiziellen Porträts der früheren First Lady der USA, Michelle Obama. Ihr Stil ist einprägsam: Vor kräftigen Farbfeldern posieren fein nuanciert gemalte Personen in ruhiger, fast statischer Haltung. Die Porträtierten sind nahezu ausschließlich schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner. Damit besetzen sie einerseits eine in der Kunstgeschichte lange vakant gebliebene Leerstelle, die Künstlerin stattet die Abgebildeten andererseits aber mit subtilen Zeichen aus, die typisch für Leben und Selbstverständnis der USA sind und tief verankert im kollektiven Unterbewusstsein der Nation. Zusammen mit der Ruhe ihrer Bilder hat das etwas Verbindendes. So heißt ihre Werkschau, die das Whitney Museum vom 9. April an bis in den August präsentiert, denn auch »American Sublime«. Zu sehen sind darin aktuelle Werke, aber auch zurück bis zu Arbeiten aus dem Jahr 2007.

DIGITALE GEFÜHLE

In seinen Arbeiten spürt der britische Multimediakünstler Ed Atkins der Kluft zwischen digitaler Welt und menschlichem Empfinden nach. Mit Techniken und Dramaturgien, die er aus Kino, Videospielen, Literatur, Musik und Theater entleiht, lotet er die Beziehung zwischen Realität, Realismus und Fiktion aus. Das Ergebnis sind oft tief verunsichernde Inszenierungen, die zwischen Kühle und tiefen Emotionen, Intimität, Liebe und Verlust schweben. So kollidiert auch in seiner Ausstellung in der Tate Britain vom 2. April bis zum 25. August das schwerelose digitale Dasein mit dem Gewicht, der Härte, aber auch der Sinnlichkeit der realen Welt.

FARBENTAUMEL DES DASEINS

Abstrakt ist die Abstraktion längst nicht mehr. Eine universelle Bildsprache existiert nicht. Schönstes Beispiel dafür sind die form- und farbtrunkenen Gemälde der 1960 geborenen Künstlerin Beatriz Milhazes, die jetzt im New Yorker Guggenheim Museum leuchten. Die sind ebenso gegenstandsfrei, wie sie Ausdruck des lebendigen, bunten, chaotischen und doch strukturierten Daseins, des kulturellen Erbes und der Identität ihrer Heimat Brasilien sind.

LOST HERO

Diane Luckey, die sich Q Lazzarus nannte, ist eine der großen Unbekannten des Pop, ein Geheimtipp, ein Gerücht, eine kleine Legende. Dabei war die 1960 geborene Musikerin nicht nur mit einer überwältigenden Stimme gesegnet, sie schrammte auch mehrfach nur knapp am Ruhm vorbei. Am nächsten kam sie ihm, als der Regisseur Jonathan Demme das Taxi bestieg, das sie zum Broterwerb chauffierte, sich in ihre Musik und Stimme verliebte und ihre Songs in vier seiner Filme packte, darunter das Stück »Goodbye Horses« in den Klassiker »Das Schweigen der Lämmer«. War sie zu rockig, zu kraftvoll, zu intensiv? Irgendwie lag Q Lazzarus immer knapp neben dem Zeitgeist. 2022 starb sie. Jetzt erschien ein Best-of ihrer Stücke zwischen Pop, Rock, Soul und Wave.

IT-LADY

Als Dichterin, Rapperin und Produzentin hat John Glacier die Musikszene Londons ebenso begeistert wie die Modewelt. Da hat sie Fans von Bottega Veneta bis Gucci und war Kampagnengesicht für Burberry. Jetzt tritt sie auch musikalisch endgültig ins Rampenlicht mit ihrem Album »Like a Ribbon«. Der Titel bezieht sich auf die ineinander verflochtenen Fäden von Beziehungen und Verantwortlichkeiten, die das Band moderner Existenz bilden, ihr Sound ist ruhig, deep und filigran.

WUNDERLAND

Berlins Kultur soll sparen oder sich kunstaffine Unterstützer suchen. Das Museum für Gegenwartskunst Hamburger Bahnhof geht dabei voran und hat mit Chanel einen exquisiten Kooperationspartner gewinnen können. Schon die Kunstblüte im Paris der 1920er wäre ohne Coco Chanels Finanzierung wohl nur halb so üppig ausgefallen. Den Auftakt der Chanel Commission im Hamburger Bahnhof macht die Ausstellung »embrace« von Klára Hosnedlová, die zum Gallery Weekend vom 2. bis 4. Mai eröffnet wurde und dann bis zum 26. Oktober zu sehen ist. Die Künstlerin erschafft in der Industriearchitektur des Museums eine utopische Landschaft aus Flachsfasern, Stickereien, gegossenem Glas, Sandstein, Ton, Eisen- und Betonplatten.

ALLES GLITZERT

Es flirrt und flittert allerorts. Glitzer ist überall, auf Bühnen und in Kinderzimmern, auf T-Shirts, Sneakern und auf der Haut. Im Alltag ist er omnipräsent. Die Schau »Glitzer« entdeckt jetzt seine andere Seite – als Symbol für Empowerment und Selbstbestimmung. Rund 40 Positionen aus Kunst und Design widmen sich Glitzer als Ausdruck der Freude an gesellschaftlicher Vielfalt und kollektiver Ausgelassenheit, als Mittel des Protests, der Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen und des Widerstands gegen Körpernormen.

NIE MEHR MUSE

Künstlerinnen sind – gerade in den Sammlungen der Museen – gegenüber ihren männlichen Kollegen noch immer unterrepräsentiert. Auch darauf will das Jugendkuratorium »New Perceptions« der Kunsthalle Bremen (bis 3. August) mit der Schau »Mis(s)treated. Mehr als deine Muse« aufmerksam machen und rückt Werke von Künstlerinnen aus der Sammlung, ergänzt um zeitgenössische Leihgaben, ins Rampenlicht. Die Künstlerinnenliste reicht von Käthe Kollwitz und Camille Claudel bis zu Cindy Sherman und Yoko Ono.

JAPAN NOIR

Seishi Yokomizo ist der beliebteste Kriminalautor Japans. In »Der Inugami-Fluch« führt er Privatdetektiv Kosuke Kindaichi in eine abgelegene Provinz Japans – mitten hinein in einen leichenreichen Erbstreit und die düstere Geschichte der Familie Inugami, die von Bitternis, Betrug und verbotenen Liebschaften bestimmt wird. Der Detektiv wird von einem Anwalt eines kürzlich verstorbenen schwerreichen Seidenfabrikanten gerufen, da das Testament einen erbitterten Kampf zwischen den verfeindeten Erben auslösen könnte. Kaum ist der Letzte Wille verlesen, beginnt eine blutige Mordserie. Kindaichi muss die Geheimnisse des Clans lüften, um den Mörder zu finden und den Fluch zu bannen. Der Roman ist ein klassischer Rätselkrimi mit Raffinesse und Nostalgie, der tief in die komplexen Familienverhältnisse und japanischen Umgangsformen eintaucht. Er erschien am 16. April 2025 im Blumenbar Verlag, umfasst 336 Seiten und kostet 24 Euro. Übersetzt wurde das Werk von Ursula Gräfe.

BESTE FREUNDIN

Als Jara und Anto sich in Mascha Unterlehbergs Roman »Wenn wir lächeln« treffen, ist schnell klar: Sie werden Freundinnen, besondere Freundinnen, die alles teilen, »Lipgloss, Cherry Cola und Gewaltfantasien«. Sie scheinen alles im Griff zu haben – bis ihnen alles zu entgleiten droht. Es bleibt die Frage: »Wohin mit der Wut?«

Weltenwechsel

Nadège Kusanika hat in »Unter derselben Sonne« viele Geschichten zu erzählen: von ihrer Kindheit im Kongo, vom Sternenhimmel, Nebeln, in denen die ganze Welt zu versinken scheint, von staubigen Straßen und Plastiksandalen. Aber auch von der Ankunft in einem fremden Land und vom Herantasten an das neue deutsche Leben. Aufbau, 208 Seiten, 22 Euro.

TEXT: Bernd Skupin