Cruelty free: Was steckt wirklich dahinter? - séduction Magazin Germany
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Cruelty free: Was steckt wirklich dahinter?

Von Pia Scheiblhuber 08/07/2020
Credit: Adobe Stock

Cruelty-free-Siegel findet man auf immer mehr kosmetischen Produkten. Doch was bedeuten sie tatsächlich? séduction hat mit zwei Expertinnen gesprochen.

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Sie haben Wiedererkennungswert, schaffen Vertrauen und sollen zur bewussten Kaufentscheidung beitragen: Cruelty free-Siegel. Die Embleme mit Hasenmotiv sind auf immer mehr Kosmetikprodukten sichtbar und signalisieren: Dieses Produkt und dessen Inhaltsstoffe wurde nicht an Tieren getestet.

Doch wie aussagekräftig sind die Siegel, was bedeuten sie im Klartest und inwiefern sollten sie auch kritisch betrachtet werden? séduction hat mit Julia Radzwill, Biologin und Scientific Officer von Ärzte gegen Tierversuche, und Sabrina Engel, PETA-Fachreferentin für den Bereich Tierversuche, gesprochen.

Vermarktungsverbot seit 2013, doch es gibt Schlupflöcher

Tierversuche für Kosmetika sind in der EU verboten. Seit 2013 gilt ein Vermarktungsverbot für Pflege- und Make-up-Produkte, die an Tieren getestet wurden. Dies gilt nicht nur für das Produkt an sich, sondern auch für die einzelnen Inhaltsstoffe. Diese gesetzliche Verordnung ist jedoch so formuliert, dass sie auf zwei Wege umgangen werden kann. Zum einen durch die Europäische Chemikalienverordnung REACH, die verlangt, dass einige Rohstoffe, die nicht ausschließlich dem kosmetischen Einsatz dienen, an Tieren getestet werden. Zum anderen stellt die Vermarktung der Beauty-Produkte in China ein Problem dar: Denn Produkte, die zwar innerhalb der EU tierversuchsfrei hergestellt wurden, werden nach ihrem Export nach China von dortigen Unternehmen an Tieren getestet. Dies ist in China so vorgeschrieben. „Deshalb kann man sich sicher sein, dass alle Produkte, die es auch in China zu erwerben gibt, in gewisser Weise mit Tierversuchen in Verbindung zu bringen sind“, sagt Sabrina Engel von PETA.

Cruelty free: Tierversuche weder durchführen noch beauftragen oder dulden

Bei Produkten, die beispielsweise das PETA-cruelty free-Siegel tragen – den pinkohrigen Hasen – könne man sich sicher sein, dass man mit dem Kauf keinerlei Tierversuche unterstützt: „Alle Marken, die unser Siegel verwenden, verpflichten sich, weder Tierversuche durchzuführen noch zu beauftragen oder zu dulden. Dabei spielt die Vergangenheit der Unternehmen im Grunde keine Rolle, denn Unternehmen können ihre Philosophie ändern“, erklärt Sabrina Engel. Das heißt im Klartext: Unternehmen, die bisher Tierversuche duldeten, dies aber ändern und vollkommen darauf verzichten möchten, können in die PETA-Liste aufgenommen werden. „Hierfür unterzeichnen die Marken eine rechtlich verbindliche Zusicherungserklärung. Stichprobenartig werden die Marken von PETA regelmäßig kontrolliert“, erläutert die PETA-Fachreferentin.

Siegel haben unterschiedliche Bewertungskriterien

Julia Radzwill von Ärzte gegen Tierversuche bewertet es als kritisch, wenn sich Firmen nicht von unabhängigen Experten kontrollieren lassen. Sie weist deshalb auf zwei weitere verlässliche cruelty free-Siegel hin: „Das internationale Siegel Leaping Bunny und der vom Deutschen Tierschutzbund ins Leben gerufene Hase mit schützender Hand sind sehr aussagekräftig. Bereits vor der Gesetzesänderung haben sie einen bestimmten Zeitpunkt festgelegt, ab wann ein Produkt und dessen Bestandteile nicht mehr in Tierversuchen getestet werden dürfen. Die Produkte werden von unabhängigen Zertifizierungsexperten regelmäßig kontrolliert bzw. können nachweisen, dass keine Tierversuche durchgeführt oder in Auftrag gegeben werden.“ Im Grunde verfolgten aber alle Siegel dasselbe Ziel, seien ein aussagekräftiges Indiz dafür, dass entsprechende Produkte nicht in China verkauft werden und stellten für den Verbraucher eine wichtige Orientierungshilfe dar. Im Gegensatz zu Vermerken wie „Dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet“, das man auf bestimmten Kosmetikartikeln finden kann: „Solche Deklarationen und selbsterfundene Siegel sind mit Vorsicht zu genießen: Werden sie nicht von unabhängiger Stelle belegt, kann der Verbraucher sich nicht zu 100 Prozent sicher sein, dass dem auch tatsächlich so ist.“

Unterschied zu veganer und Naturkosmetik

Verwirrung kann entstehen, wenn man Tierversuchsfreiheit mit anderen Qualitätsmerkmalen kosmetischer Produkte in Verbindung bringt. Denn das cruelty-free-Siegel bedeutet nicht, dass das entsprechende Produkt auch vegan ist. „Wenn man cruelty free aber wörtlich nimmt, müsste diese Bezeichnung streng genommen auch vegan mit einschließen. Denn gewisse von Kosmetikunternehmen verwendete Inhaltsstoffe schaden den Tieren und stellen sie unter Stress, wie die Gewinnung von Honig, Milch, Karmin und Lanolin“, sagt Sabrina Engel. PETA hat für tierversuchsfreie und zugleich vegane Kosmetik ein extra Siegel.  Julia Radzwill merkt zudem an, dass in cruelty free und veganer Kosmetik trotzdem Chemikalien enthalten sein können. „Wer vollkommen auf Chemie verzichten möchte, kauft am besten Naturkosmetik. Naturkosmetik-Siegel schreiben auch Tierversuchsfreiheit vor und verbieten China-Exporte, sind aber nicht unbedingt vegan.“

Cruelty free-Siegel setzen ein klares Zeichen und werden immer beliebter

Fakt ist: Immer mehr Marken wollen ein klares Zeichen gegen Tierversuche setzen, nicht nur kleine Marken mit nachhaltiger Firmenphilosophie. „Große Firmen merken immer mehr, dass Bedarf besteht, sich von Tierschutzorganisation die bewusste Entscheidung, keine Tierversuche zu dulden, bestätigen zu lassen. Sie wollen dem Verbraucher klar signalisieren, wofür sie stehen“, sagt Sabrina Engel. Und bringt damit die Trendentwicklung in Sachen tierversuchsfreie Kosmetik auf den Punkt.