Interview mit Cecilia Bönström - séduction Magazin Germany
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Interview mit Cecilia Bönström

Von Pia Scheiblhuber 01/06/2020
Credit: @ Say Who

Sie war Model, dann Design-Assistentin bei Zadig&Voltaire, bis sie zum Creative Director des Fashion- und Duft-Labels berufen wurde – als Ehefrau des Gründers. Wer jetzt an ein Klischee denkt, irrt. Die gebürtige Schwedin kreiert und lebt den Nonchalance Chic mit so viel Klasse und Selbstverständlichkeit, dass Zweifler an ihr abperlen.

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Sie war Model, dann Design-Assistentin bei Zadig&Voltaire, bis sie zum Creative Director des Fashion- und Duft-Labels berufen wurde – als Ehefrau des Gründers. Wer jetzt an ein Klischee denkt, irrt. Die gebürtige Schwedin kreiert und lebt den Nonchalance Chic mit so viel Klasse und Selbstverständlichkeit, dass Zweifler an ihr abperlen.

„Girls can do anything“ heißt ein Duft von Zadig & Voltaire, der für eine ganze Generation von Frauen zum Mantra wurde. Warum eigentlich nicht „Women can do anything“?

Diese Frage hat mir noch niemand gestellt … Als wir den Slogan entwickelten, sprachen wir immer vom „Women Empowerment“ und darüber, dass Frauen alles schaffen können. Ich fürchte, auf Ihre Frage habe ich keine richtige Antwort. Girls ist einfach ein leichteres Wort, klingt frisch und fröhlich.

Klingt nicht nach einer Feministin …

Die bin ich auch nicht. Heutzutage wird Feminismus oft als Geschlechterkampf praktiziert: Frauen, die gegen Männer sind. Ich aber brauche die Energie und Chemie zwischen den Geschlechtern. Wir sind doch ein Puzzle, das dazu bestimmt ist, zusammenzupassen. Natürlich bin ich für Gleichberechtigung von Frauen und Männern, aber ich mag es auch, wenn mir ein Mann im Restaurant die Tür öffnet, und möchte lieber von einem Mann verführt werden, als ihn zu verführen. Da bin ich old-fashioned. Als feministisch könnte man mich nur bezeichnen, weil ich die Freiheit liebe, das zu tun, was ich möchte.

Sie sind die Ehefrau von Zadig & Voltaire-Gründer Thierry Gillier, 2006 wurden Sie Design-Chefin des Labels. Spürten Sie Gegenwind?

Keiner hat mir das je ins Gesicht gesagt, aber dieser Schritt wurde von einigen kritisiert. Es hat Jahre gedauert, bis Presse und Menschen außerhalb des Design-Studios das akzeptierten. Sie sahen in mir nur das Model, das als Designerin Erfolg haben will, ohne eine Modeschule besucht zu haben. Um meinen Mann ging es dabei gar nicht. Aber ich war und bin überzeugt: Wenn man hart arbeitet, kommt die Wahrheit ans Licht, und Skeptiker haben keinen Grund mehr zur Kritik.

Woher kommt Ihr Talent, Mode zu kreieren?

Von meiner Mutter, aber das habe ich erst letztes Jahr begriffen, als ich alte Fotoalben durchblätterte. Mein Bruder, meine Zwillingsschwester und ich wuchsen in einem kleinen Dorf in Schweden auf. Wir Mädchen trugen Burberry-Trenchcoats, gelbe Cordhosen und auffällige Hüte. Zu lightblue Jeans mintgrüne Boots. So gingen wir zur Schule. Ich schämte mich, mir war das zu auffällig. Heute weiß ich, Mamas Vorstellungskraft und Kreativität war endlos, ihr habe ich mein Auge für Mode zu verdanken.

Inwiefern hat Sie Ihre schwedische Heimat geprägt?

Wir Schweden sind praktisch veranlagt und bleiben auf dem Boden. Und so beginne ich auch jede Kollektion. Frauen sollen unsere Kleidungsstücke in den unterschiedlichsten Lebenssituationen tragen können, um ihre Kinder aktiv mit Taten erziehen zu können. Nicht durch Worte. So haben es auch meine Eltern gemacht. Wir haben Dinge unternommen, die mich selbstbewusst machten, mich bestärkten, keine Angst zu haben. So bekam ich Selbstvertrauen, was mir als Creative Director auch jetzt noch hilft.

Provoziert Sie die Frage, ob Mode in Krisenzeiten überhaupt eine Relevanz hat?

In schweren Zeiten wie jetzt sollten wir darüber nachdenken, wie wir zu besseren Menschen werden können. Doch neben dieser existenziellen Frage brauchen wir etwas, das uns aufheitert. Mode und Shopping sind kleine und einfache Vergnügen, nach denen sich die Menschen jetzt sehnen.

Dennoch wird sich die Fashion-Welt durch die Krise verändern, oder?

Diese Krise gibt uns zu verstehen, dass wir nur kleine Menschen in einem riesigen Universum sind, nur Gäste auf der Erde, und so sollten wir uns auch verhalten. Umweltverträglichkeit rückt stärker in den Fokus. Auf lange Sicht werden Menschen weniger konsumieren und lieber in zeitlose Stücke investieren. Labels müssen ihre Kollektionen überdenken und reduzieren. Anstatt ein Shirt in Pink und eines in Khaki zu entwerfen, werde ich nur ein weißes designen. Als Ersatz für die Fashion-Show in New York machen wir ein digitales Event, bei dem wir unsere verkleinerte Kollektion vorstellen, die aus biologischen Materialien und recycelbaren Stücken besteht.

Was ist jetzt die größte Herausforderung?

Für mich ist es die Frage, warum ich überhaupt weitermache, denn ehrlich gesagt sehe ich kein zeitnahes Ende der Krise. Aber wir alle dürfen den Kopf nicht hängen lassen. Die Fashion-Industrie ist eine Familie, die zusammenhalten muss. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Produzenten und Zulieferern in Indien, China, Italien und der Türkei. Bei Zadig & Voltaire arbeiten wir seit zehn Jahren mit denselben Firmen zusammen.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration? Ist die Kunstsammlung Ihres Ehemannes in Ihrer Pariser Wohnung jetzt eine Ihrer wichtigsten Quellen?

Ich lebe und arbeite mit diesen Kunstwerken, bin stets von ihnen umgeben. Da ist es eine logische Konsequenz, dass die Kollektion davon beeinflusst wird. Die Art, wie wir Kunst zu Hause behandeln, könnte man übrigens auch als „Nonchalance Chic“ bezeichnen. Kunst soll ein Genuss sein, kein Mittel zur Demonstration von Reichtum. Unsere Söhne durften schon immer inmitten der Werke Fußball spielen. Wir wollten kein andächtiges Museumsfeeling.

Welche Künstler mögen Sie besonders gerne?

Die Skulpturen von Franz West und die Gemälde von Georg Baselitz. Die minimalistischen, ausdrucksstarken Werke von Agnes Martin und Donald Judd, der Kunst zu etwas Konkretem, zu einem Teil unseres Lebens macht.

Was empfinden Sie, wenn Sie ein Kunstwerk betrachten?

Ganz ehrlich: Manchmal verstehe ich nicht, was ich sehe. Aber ich merke später, dass meine Augen etwas gelernt haben. Das Betrachten weitet meine Vorstellungskraft oft erst im Nachhinein.