Patek Philippe: Späte Liebe - séduction Magazin Germany
Uhren & Schmuck

Patek Philippe: Späte Liebe

Von Michelle Mussler 09/01/2024
Credit: PR
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Erst verpönt, dann geduldet, heute heiß begehrt: die „Nautilus” von Patek Philippe. Wie die Damenwelt eine alte Herrenuhr vor dem Untergang rettete.

Sie ist weder rund noch eckig, weder quadratisch noch elliptisch. Dafür von allem etwas. Mit ihrer eigenwilligen Form zählt sie zu einer der letzten überlebenden Uhren des Pop-Designs. Und doch beherrscht die „Nautilus” von Patek Philippe alle Regeln des sogenannten Goldenen Schnitts. Ihre Lünette kommt in Form eines abgerundeten Achtecks daher, das wie ein Bullauge wirkt und seitliche Scharniere besitzt. Weitere Charaktermerkmale der Ursprungsversion sind ein Gliederarmband aus poliertem und gebürstetem Edelstahl sowie ein Zifferblatt mit Liniendekor, das in bläulichem Anthrazit changiert.

Entworfen wurde die „Nautilus” Mitte der 1970er Jahre. Philippe Stern, damals Präsident von Patek Philippe, beauftragte den begnadeten Uhrendesigner Gérald Genta mit der Gestaltung einer sportlichen Luxus-Uhr, die einerseits ein wasserdichtes Gehäuse hat, aber auch auf vornehmen Anlässen eine gute Figur macht. Kurz: eine Uhr für alle Gelegenheiten. Heute bezeichnen Insider solche Modelle als „Alltagsuhr”, nahezu jede Luxusmarke hat sie im Portfolio. Damals war es ein ambitioniertes Projekt, mal eben so alle Traditionen über Bord zuwerfen und statt biederen Luxus einen lässig-zeitgemäßen Look salonfähig zu machen. „Es war ein langer Prozess”, erinnerte sich Philippe Stern später in einem Interview. „Von der ersten Skizze bis hin zur fertigen ›Nautilus‹ vergingen mehr als zwei Jahre.” Schließlich wurde die „Nautilus” mit blauem Zifferblatt 1976 als erste Patek aus Edelstahl präsentiert. Die Uhrenbranche rümpfte die Nase. Man beklagte ihre enorme Größe, den dominanten Flankenschutz, den Edelstahl und vor allem den Preis – sie war teurer als ein Modell aus Gold. „Auch intern wurde viel diskutiert”, räumte Philippe Stern Jahre später ein. Heute leitet sein Sohn Thierry die Manufaktur und bewundert den Mut seines Vaters. „Als er die ›Nautilus‹ lancierte, war es für die etablierte Klientel ein richtiger Schock”, erzählt er. Doch der Vater ließ sich nicht beirren. Vier Jahre nach der Premiere folgte ein feminines Modell, das spontan zum Bestseller wurde. Die Damenwaren es am Ende auch, die die „Nautilus” vor dem Untergang retteten.

Erst Ende der 1990er Jahre begann der Hype. Quasi über Nacht überstieg die Nachfrage das Angebot. Die „Nautilus” wurde zur Ikone. Zum einen, weil das Design der Siebziger zum Kult avancierte. Zum anderen, weil Uhren in der maskulin dominierten Businesswelt zum Statussymbol wurden. Allen voran eine „Nautilus”, mit der dynamische Karrieristen überzeugen konnten. 2006 feierte Patek Philippe den 30. Geburtstag der Uhr mit einer leicht modifizierten Neuauflage. Mit fatalen Folgen: Wer die blaue „Nautilus” aus Edelstahl ergattern wollte, durfte sich auf jahrelange Wartezeit einstellen. Schneller ging es auf dem Graumarkt, wo die Uhr prompt das Doppelte, manchmal das Dreifache kostete. Sprach man den Präsidenten darauf an, wurde der sonst charmante und humorvolle Gentleman empfindlich: „Leider gibt es viele Leute, die es als Spiel sehen: Ein Händler verkauft eine ›Nautilus‹ an einen Freund, dieser verkauft sie am nächsten Tag als pre-owned für den doppelten Preis und sie teilen sich den Gewinn. Das ist nicht fair! Denn andere Kunden möchten die Uhr lieber tragen, statt damit Geld zu verdienen.”

Alle Auflagen und sogar Drohungen, solchen Konzessionären zu kündigen: Nichts half. Patek Philippe hatte die Kontrolle verloren. Stern zog die Reißleine. Er stellte die blaue Edelstahl-„Nautilus” 2021 ein. Als Grund nannte er, dass die Uhr zu sehr das Image der Marke beherrsche. Er wolle sich stärker auf andere Modelle konzentrieren, da sich der Geschmack der Leute jederzeit ändern könne. Es folgten Varianten mit grünem Zifferblatt und eine in Tiffany-Türkis – auch hier explodieren die Grau-markt-Preise. Eine wahre Ikone lässt sich eben nicht tilgen.