Edelsteinbesetzer, Graveur oder Polierer? Nicht unbedingt die Traumberufe eines Teenagers. Deshalb lädt Van Cleef & Arpels regelmäßig junge Menschen ein, um in die Welt der Schmuckherstellung einzutauchen.
Es summt und brummt im abgedunkelten »Salon Soufflot« des »Hotel Dieu« in Lyon, wie in einer riesigen, von dicken Teppichen gedämpften Weihnachtswerkstatt. Junge, konzentrierte Gesichter beugen sich über die Tische der sechs Bereiche, die die wichtigsten Arbeitsschritte der Schmuckfertigung abbilden sollen: vom Ankauf der Edelsteine über das Design und die Modellherstellung bis zur Fertigung. Es wird gefeilt, geschliffen und poliert. Aber auch gefragt, erklärt und präsentiert. Denn anders als in den Ateliers an der Pariser Place Vendôme sollen hier keine Preziosen gefertigt werden. Stattdessen hat der dort ansässige Juwelier Van Cleef et Arpels seine Goldschmiede, Schleifer und Setzer nach Lyon geholt, um dort eine ganze Woche lang die vielfältigen Berufe der Schmuckindustrie einem unerfahrenen Publikum vorzustellen.
Die Maison, die 1906 in Paris aus der Eheschließung von Estelle Arpels, der Tochter eines Edelsteinhändlers, und Alfred van Cleef, dem Sohn eines Steinschleifers, entstand, gehört zur Spitzenklasse französischer Schmuckhersteller. Seinen schillernden Ruf verdankt Van Cleef seinen patentierten Erfindungen wie dem »Mystery Setting«, das die lückenlose Aneinanderreihung von Edelsteinen erlaubt, aber auch ikonischen Kollektionen wie »Alhambra« und vor allem unvergessenen Kreationen der Zeitgeschichte: etwa das Set aus Perlen und Diamanten, das Grace Kelly zur Hochzeit erhielt, der spektakuläre Rubinschmuck von Wallis Simpson, der Herzogin of Windsor, oder der Krönungsschmuck der letzten iranischen Kaiserin, Farah Pahlavi.
Doch die Maison verlassen nicht nur Schmuckstücke von poetischer Schönheit und Uhren von kunsthandwerklicher Finesse. Van Cleef et Arpels hat sich auch der Förderung der Künste verschrieben, etwa des Tanzes und im Besonderen des Balletts. Und auch in Bildung investiert das Unternehmen. Mit der »L’École« gründete das Unternehmen ein wissenschaftliches Institut, das sich der Erforschung von Schmuck, seiner Kreation sowie der Weitergabe dieses Wissens widmet. Dabei geht es den Franzosen nicht nur um Expertise, sondern um kulturelles Erbe und den Erhalt der Handwerkskunst. Graveure, Emaillierer, Edelsteinsetzer, aber auch Designer und 3D-Modellentwickler sind unabdinglich für das Geschäft des Herstellers, der neben Werkbänken in den Ateliers über der Boutique an der Place Vendôme, wo die spektakulären Einzelstücke gefertigt werden, auch zahlreiche Arbeitsplätze in größeren Produktionsstätten besetzen muss.
Tätigkeiten, derer sich viele Jugendliche, die sich auf ein Berufsleben nach der Schule vorbereiten, gar nicht gewahr sind. Darum hat Van Cleef, gemeinsam mit dem französischen Bildungsministerium, die Initiative »de Mains en mains« ins Leben gerufen. Im Rahmen der Veranstaltung in Lyon gewährt das Unternehmen Schülerinnen und Schülern der siebten bis neunten Klassen einen Einblick in besagte Handwerksberufe – potenzielle Quereinsteiger aus anderen Berufen haben die Möglichkeit eines halbtägigen Mini-Praktikums. »Wir wollten in der Post-Covid-Zeit etwas Orientierung geben und zeigen, dass Berufe in der Schmuckindustrie jedem zugänglich sind, nicht nur Personen aus den Kreisen unserer Kunden«, sagt Marie-Aude Stocker, Personalchefin des Unternehmens. Ihre Mitarbeiter begleiten das Event und geben Auskunft über Einstiegsmöglichkeiten, Berufswege und Ausbildungsprogramme.
Auch Eric de Rocquigny, Leiter des operativen Geschäfts, begrüßt die Initiative. »Für uns ist sie allerdings auch sehr aufwendig, schließlich verlassen viele unserer Mitarbeiter eine Woche lang ihren regulären Arbeitsplatz, um den jungen Gästen ihr Handwerk zu präsentieren.« Ob sich in ein paar Jahren tatsächlich mehr Berufseinsteiger für eine Laufbahn im Schmuckhandwerk entscheiden, bleibt abzuwarten. Vertieft man sich jedoch in die Schmuckstücke aus den Archiven, wird schnell deutlich: Um das künstlerische Können zu erhalten, das auch künftig solch unsterbliche Kreationen zu erschaffen vermag, darf kein Aufwand zu hoch sein.
Van Cleef & Arpels lädt auch 2024 nach Lyon ein
Die Initiative “De Mains en mains” geht 2024 in die dritte Runde und findet vom 23. November bis 1. Dezember im InterContinental Hotel Dieu in Lyon statt. Van Cleef & Arpels erweitert das Programm und bietet neben dem bewährten “Parcours Métiers”, bei dem Teilnehmer verschiedene Schmuckhandwerke kennenlernen, auch eine Ausstellung mit historischen und zeitgenössischen Stücken des Hauses. Neu sind zudem Kurse, Vorträge und Workshops der L’École des Arts Joailliers sowie Podiumsdiskussionen zur Berufsorientierung in der Schmuckbranche. Die Veranstaltung richtet sich nicht nur an Schüler, sondern auch an Erwachsene in beruflicher Neuorientierung und die breite Öffentlichkeit. An den Wochenenden können Besucher Handwerksvorführungen erleben und sich über Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten informieren. Mit dieser erweiterten Ausgabe unterstreicht Van Cleef & Arpels sein Engagement für die Förderung traditioneller Schmuckhandwerke und deren Zugänglichkeit für ein breites Publikum.
AUTORIN: Friederike Weissbach