Ob es nun Kooperationen oder Allianzen sind, in vielen Branchen ist die Zusammenarbeit zweier Marken zur Schaffung von Neuem zur Gewohnheit geworden. Doch ehrlich gesagt kann dieser Trend mittlerweile eher ermüdend sein, und man neigt oft dazu, wegzuschauen.
Bei der jüngsten Kreation von Audemars Piguet und dem Star-Designer Matthew Williams ist das anders. Ganz einfach, weil dieses Zusammenspiel ehrlich ist. Ein Kind der Liebe und des guten Geschmacks sozusagen und nicht des kommerziellen Erfolgs. Das ist in diesem Fall der wesentliche Unterschied und zeigt sich in Form von fünf neuen Uhren-Modellen.
Darunter ein Unikat, das schon für 1 Million online versteigert wurde. Der Erlös geht an Lerninitiativen benachteiligter Kinder, wie den NGOs Kids in Motion und Right to Play. Derartige Projekte zu fördern ist ein persönlicher Wunsch auch von Matthew Williams, der schon seit vielen Jahren Aktionen zugunsten benachteiligter Kinder unterstützt.
Die anderen vier Modelle sind limitiert. Dazu zählt die Ikone der Manufaktur, die Royal Oak, die ursprünglich in den 1970er-Jahren entworfen wurde. Williams hüllt dieses Retrouhr radikal in sattes Gelbgold. Kompromisslos verzichtet er auf Anzeigen. Alles im angesagten Monochrom-Look – ob das vertikal satinierte Zifferblatt, das matt gebürstete Armband oder das Gehäuse. Nur die Zeiger besitzen einen Hauch von Leuchtmasse.
Ein wenig exzentrisch ist das schon, da es die Ablesbarkeit erschwert, doch darum geht es gar nicht. Vielmehr geht es um Style, um Ausstrahlung, um Coolness. Geformt als 37 Millimeter große Skulptur und drei Zeigern, deren Silhouette man dennoch sofort als klassische Royal Oak wiedererkennt.
Im Innenleben und auf der Rückseite bleibt sich Audemars Piguet weiterhin treu: Ein Manufakturkaliber mit Automatikaufzug, dessen Schwungmasse aus 2,3 Gramm massivem Gold besteht – alles zu sehen durch einen Safirglasboden und nur 194 Mal zu haben für je 74.900 Euro.
Puren Minimalismus setzt der Star-Designer beim Royal Oak Chronographen gnadenlos fort. Für konservative Uhrenliebhaber völlig absurd, dass zwar die Stoppfunktionen samt Flyback und Zeiger vorhanden sind, allerdings fehlt hier jede Markierung zur Zeitangabe. Doch genau diese Absurdität macht den Chronographen umso lässiger. Natürlich stellt die Manufaktur auch hier ihr Können durch einen transparenten Boden in dem 41-Millimeter-Gehäuse zur Schau: Automatikgetriebe mit 70 Stunden Laufzeit und einem 3,1 Gramm Goldrotor sind selbstverständlich. Kostenpunkt 88.500 Euro und auch auf 194 Stück limitiert.
Dem selben Prinzip folgen die beiden Royal Oak Offshore Modelle: auch diese 42 Millimeter großen Chronographen beschränken sich auf das strikte Minimum und verzichten auf Zifferblatt-Anzeigen. Immerhin besitzen sie eine stilvoll dezente Datumsangabe, natürlich auf monochromen Hintergrund.
Nur 76 Exemplare je wahlwiese komplett aus Weiß- oder Gelbgold – sogar inklusive der Schwungmasse für das Automatikwerk. So viel Detailversessenheit grenzt an Irrsinn, spannt aber ideal den Bogen zwischen wahrer Haute Horlogerie und zeitgemäßem Stilempfinden. Vor allem jedoch sind sie ein Beweis, wie die oft sehr traditionell behaftete Uhrenbranche bereichert werden kann, wenn sie jungen Designtalenten echte Freiheiten einräumen. Das verlangt allerdings auch 113.500 Euro.
“Ich entwerfe nur das, was ich selbst gerne tragen würde”, beteuert Matthew Williams. Wie sich zeigt, landet er mit diesem Grundsatz einen Volltreffer nach dem anderen. Seit 2015 führt er sehr erfolgreich sein Modelabel “1017 Alyx 9SM” für Luxus-Streetwear, agiert zugleich seit 2020 ebenso erfolgreich als Kreativchef von Givenchy und hat einen sehr speziellen Uhren-Faible.
Noch bevor er ein Star war, verliebte er sich in eine Royal Oak verliebt und sparte jahrelang auf ein Modell. Dann der Clou: er ließ sich seine Lieblingsuhr in einem Uhrentuner-Atelier komplett Schwarz einfärben. So viel Eigenkreativität der Uhrenbesitzer ist für die meisten Marken ein Sakrileg. Manchmal verklagen sie sogar die Uhrentuner. Nicht jedoch Audemars Piguet. Eigentlich ist Matthew Williams für seine Schüchternheit bekannt aber beim gestrigen Treffen in Berlin blüht er auf.
Wie entstand Ihr Uhren-Faible?
Daran ist der beste Freund meines Vaters, der zugleich mein Patenonkel ist, Schuld. Er sammelte sehr viele Uhren, und zwar jede Art von Uhren, manchmal verkaufte er sie auch weiter. Als Kind besuchte ich ihn oft, er zeigte und erklärte mir alles. Und er besaß viele Uhrenbücher, die wir gemeinsam studierten.
Somit lernten Sie nicht nur viel über Uhrendesign, sondern auch über die Technik?
Ich habe eine grobe Idee von der technischen Komplexität der Kaliber erhalten aber als Kind kann man sich das natürlich nicht alles merken. Am meisten faszinierte mich schon immer das Design. Ich bin kein Uhren-Aficionado, da ich nicht so viel über die Technik, jede Geschichte oder all die Spitznamen über Uhren kenne. Doch ich erinnere mich, ich war ein junger Teenager als meine Liebe zu Audemars Piguet begann.
Und wie kamen Sie zu Ihrer ersten Audemars Piguet?
Mein Vater schenkte mir zum Highschool-Abschluss eine Uhr. Es war keine teure Uhr, irgendwann half mir mein Patenonkel sie weiterzuverkaufen. Das Geld investierte ich in eine neue Uhr, auch die verkaufte ich später mit Gewinn weiter. Endlich, nach etwa zehn Jahren und vier solcher Upgrade-Deals, hatte ich das Geld zusammen mir eine Audemars zu leisten. Das fühlte sich wie ein Upgrade in die First Class an.
Welches Modell war das?
Die ganz klassische Royal Oak komplett aus Edelstahl. Ich trug sie einige Jahre nahezu täglich. Dann stieß ich auf den Customizer Mad in Paris, der Uhren nach Kundenwünschen umgestaltet. Dort ließ ich meine Royal Oak, bis auf die Schrauben auf der Lünette, komplett in Schwarz beschichten – Zifferblatt, Gehäuse, Armband, alles in mattem Schwarz. Außerdem erhielt sie eine neue Schließe, die dem typischen Design der Gürtel- und Taschenschnallen meiner Modemarke Alyx entspricht, der Rollercoaster-Buckle. Das Einzigartige an ihr war nicht nur das neue Finishing, was die meisten Leute für ihr Uhrenunikat anwenden, sondern auch das neue Armbanddesign.
Wie wurde Audemars Piguet auf Sie aufmerksam?
Mein Royal Oak Unikat wurde gepostet und vieler meiner Freunde und Fans der Marke waren begeistert. Für sie legte ich zwei kleine Sonderserien zusammen mit Mad auf…
… wann war das?
Zuerst 2019 und 2021 ein zweites Mal. Das bekam Audemars natürlich mit, doch statt mich abzumahnen, passierte genau das Gegenteil – sie waren von meinem Design begeistert und kontaktierten mich und wir einigten uns gemeinsam eine neue Sonderedition aufzulegen. Doch bei dieser Kollektion konnten wir meine Rollercoaster-Buckle nicht verwenden, weil Audemars Piguet auf seine Uhren somit auch Armbandschließe eine Lifetime-Garantie gibt. Dieses Versprechen hätten sie mit meiner Schließe nicht einhalten können. Darum entschlossen wir uns gemeinsam für die klassische Armbandvariante. Dennoch, Audemars Piguet gab mir für dieses Projekt eine Carte Blanche. Diese absolute Freiheit habe ich so noch nie bei einer Markenkooperation erlebt – und ich hatte schon einige. Sogar die Kampagne inklusive Art Direktoren, Fotografen und allem durfte ich selber auswählen. Für mich ein neues Erlebnis, absolut erfrischend und inspirierend.
Und umgekehrt? Haben Sie etwas von Audemars Piguet gelernt oder wurden Sie inspiriert?
Oh ja, sehr. Ich habe einige Zeit in der Manufaktur verbracht, lange mit den Uhrmachermeistern gesprochen, die mir auch viel zeigten. Vor allem wie wichtig ihre Arbeit auch für einen Designprozess ist. Ich habe ja schon mit einigen großen Marken zusammengearbeitet, was mir jedoch bei Audemars auffiel und besonders inspirierte, war wie sie geführt wird und was für ein toller Teamgeist herrscht. Alle sind sehr familiär, obwohl dort alle hart und hochprofessionell arbeiten. Das strahlt eine enorm positive Energie aus. Zudem faszinierte mich die Geschichte der Manufaktur und der Uhrendesigner Gérald Genta.
Gérald Genta entwarf Anfang der 1970er-Jahre die Royal Oak. Wenn Sie ihn noch erleben könnten, was würden Sie ihn fragen?
Hm, ich würde ihn nach seiner Lieblingsfarbe fragen.
Und welche ist Ihre Lieblingsfarbe?
Es ist Mintgrün.
Warum, weil sie erfrischend auf einen wirkt?
Weil ich Eiscreme liebe und ein absoluter Favorit ist Chocolate-Mint.
Also, werden Sie in Zukunft eine Royal Oak in Mintgrün entwerfen?
Ich liebe es mir diese Farbe anzusehen aber ich möchte sie nicht tragen. Und da ich im Prinzip nur das entwerfe, was ich selber auch tragen würde, wird das wohl nicht passieren.
Ihr Design, auch bei der Mode, ist die Perfektionierung des Gestaltungsprinzips “Form follows function”. Auch Bauhaus folgte dieser Idee des Minimalismus. Ist das ebenso Ihr Grundsatz?
Ich gehe die Sache weniger intellektuell an. Ich suche nicht nach philosophischen Wegen oder etwas in der Art. Das Entwerfen ist für mich eher ein freier Prozess, ganz ohne Richtlinien. Für mich hat es mit Intuition und Sensitivität zu tun – das Design muss sich richtig anfühlen. Genau um dieses Gefühl geht es mir und dieses Gefühlt gibt dir Energie. Letztendlich spüren es die Leute, ob das Design eine gute Energie ausstrahlt. Und wenn es sich nicht richtig anfühlt, macht es irgendwie krank und sagt dir, “das solltest Du nicht so machen”. Kurzum geht es darum, den Menschen ein gutes Gefühlt zu geben.
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