
In fast jedem Moment begleiten uns technische Gadgets, die eine potentielle Ablenkung beim Essen darstellen. Professor Klotter betrachtet diese Entwicklung problematisch: „Essen sollte ein feierlicher Akt sein, der mit Ruhe verbunden ist.“, so der Ernährungspsychologe. Wir gehen der Frage auf den Grund, ob Ablenkung beim Essen gesundheitsschädigend sein kann.
Kann Ablenkung beim Essen gesundheitsschädigend sein? Für viele Menschen sieht der Abend nach einem langen Arbeitstag so aus: Die Essensreste vom Vortag werden erhitzt und dazu serviert wird die neueste Folge der Lieblingsserie auf Netflix. Im Gespräch mit Ernährungspsychologe Prof. Dr. habil. Johann Christoph Klotter gehen wir der Frage auf den Grund.
Ablenkung beim Essen ist in der modernen Gesellschaft zum Standard geworden. Wie hoch ist Ihre tägliche Bildschirmzeit? Im Office starren wir auf den Computerbildschirm und in der Mittagspause ist die Versuchung groß, bei dem gemeinsamen Essen mit Kollegen, regelmäßig das Smartphone zu checken. In fast jedem Moment begleiten uns technische Gadgets, die eine potentielle Ablenkung darstellen. Professor Klotter betrachtet diese Entwicklung problematisch: „Essen sollte ein feierlicher Akt sein, der mit Ruhe verbunden ist. Zum Essen gehört kein Handy oder TV. Essen sollte ein kollektives Erlebnis mit Familie und Freunden sein.“
Doch was passiert, wenn das nicht der Fall ist?
Laut Klotter können Ablenkungen durch Smartphone und Co. dazu führen, dass sich kein psychisches Sättigungsgefühl einstellt. „Das Problem ist, dass wir in einer flexibilisierten Arbeitswelt leben. Sie müssen sich das so vorstellen: Früher hat unser Mahlzeitenrhythmus den Tagesablauf bestimmt, aber heute checken viele Menschen nach dem Abendessen beispielsweise noch die Mails. Es gibt keine wirklichen Pausen mehr.“ – tatsächlich kann so ein Verhalten auch weitere Probleme nach sich ziehen. Der Ernährungspsychologe warnt vor Schlafproblemen oder einer mangelnden Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz.
Essen als Stressfaktor?
Weil wir uns an diese neue Realität so stark gewöhnt haben, scheint es für viele Menschen mittlerweile fast unmöglich zu sein in aller Ruhe zu essen. Im Hintergrund den Fernseher laufen zu lassen empfinden viele zwar fälschlicherweise als entspannend, dahinter steckt aber eher eine Art doppelter Belohnungsmechanismus. „Das ist theoretisch möglich. In diesem Fall wird das Entspannungsgefühl beim Essen mit dem Gefühl beim Fernsehen gekoppelt. In solchen Situationen nimmt man aber oft nicht wirklich wahr, welche Mengen man verzehrt“, so Klotter.
„Essen ist ein Totalphänomen!“
Haben Sie sich schon mal gefragt, woher der Ausdruck „Das Auge isst mit“ stammt? Beim Essen werden alle Sinne in Anspruch genommen: „Der Geschmack entsteht nicht nur auf der Zunge. Es geht um die gesamte Erfahrung. Plakativ formuliert essen auch Kopf, Ohren und Nase mit!“, merkt der Ernährungspsychologe an.
Digital gemeinsam Essen
In Zeiten von Corona ist es für uns alle noch schwerer geworden, eine Ablenkung beim Essen zu vermeiden, und die eigene Screentime zu reduzieren. Viele sind isoliert und suchen sich deshalb digitale Wege, um gemeinsam zu essen. Mukbangs sind mittlerweile weltweit beliebt. Bei dem Video-Trend, der ursprünglich aus Südkorea stammt, nehmen sich Personen bei der Zubereitung von Essen auf und verzehren das Gericht danach. Als Liveübertragung oder auf YouTube wird so vielen Menschen die Möglichkeit gegeben Essen trotz Quarantäne in einer Gruppe zu genießen. „Ich habe ähnliche Erfahrungen während Corona gemacht. Letztlich sind solche Aktionen aber was anderes als die Ablenkung durch ein Smartphone oder den Laptop. Gemeinsam zu kochen und zu essen ist schließlich etwas Schönes!“, merkt unser Experte Prof. Dr. Christoph Klotter zum Schluss an.